bildverstrickung, brainpool, graue clouds
vereinzelt staus, die suchmaschinen schätzen
pingrate, spamerguss im rechenfluss
computerpark, der blackboxkopf gefickt
vom faktenzeugungsakt, nanosekundentakt
horizontverschmelzung, speicherung, vernetzen
mindmapmuster steigen, zeigen, wo der server hängt
surfgewohnheiten, breitengrade gangbar hingeschwenkt
im streetviewzoom, heimatmythos, tradition heißt sterben
lernen, das verständnis von der sache, vorratsdatenboom
potenzen der replikation, der orbits, bits and pieces
zirkulieren, hirnstromwellen schwellen, werte auf
den cyberfarmen, züchten ureinwohner informelle
pfropfen und hybride, updatetrends gen zellenkur
liquider lenz der hermeneutik, schwarmintelligenz
ohne titel, ohne samerguss :)
habe über eure kritikpunkte lange nachgedacht. die resonanz hat mir aber generell gezeigt, dass der text so wie er ist, funktioniert. würde gern noch an zwei stellen nachhaken:
1. die Stelle in der 2. Strophe „steigen, zeigen“. Wie seht ihr diese Doppelung? Unnötig oder erweiternd?
2. Die kommasetzung in der 3. Strophe vor „werte“ und „züchten“. Die Frage ist ob die intendierte Rythmik und die Betonung der so herausgehobenen semantischen Einheiten erhalten bleibt. Ich glaube weiterhin nicht, aber lass mich da gern noch umstimmen.
also mit dem punkt, dass die resonanz beim letzten treffen gezeigt hat, dass der text funktioniert, bin ich nicht ganz einverstanden. um es noch mal kurz zusammenzufassen: es bestand doch ein konsens darin, dass der text zunächst und primär über assonanz funktioniert und in assoziativer folge vokabular aus dem bereich der neuen medien kombiniert – was man im sinne einer reizüberflutung interpretieren kann. und dass ihm dieses verfahren allein dann aber zu wenig zu sein scheint, weshalb plötzlich und nur stellenweise vokabular aus den bereichen hermeneutik und ethnologie auftaucht. und es bestand doch auch ein konsens darin, dass das nicht ganz zusammengeht, weil der text hier die dinge nicht mehr erfahrbar macht, sondern mit dem zeigefinger wedelt und aussagen trifft („liquider lenz der hermeneutik“). das halte ich nachwievor für ein problem. entweder man legt es von anfang an auf die verschränkung von verständnis und reizüberflutung an (und bringt ersteres nicht nur im sinne eines kommentars) oder – wofür ich plädieren würde – man verzichtet auf die große geste und macht das verständnisproblem vielleicht dadurch erfahrbar, dass man z.b. zusätzliches vokabular einsprengt, das zwar mit den einzelnen begriffen in verbindung steht, aber nichts mit neuen medien zu tun hat oder so ähnlich.
Zuerst sei gesagt: Es ist mir natürlich unmöglich, deiner so umfassenden Kritik ebenso umfassend zu entgegnen ohne Gefahr zu laufen, interpretatorische Erklärungen zu liefern, denen ich mich grundsätzlich verweigern möchte.
Den von dir postulierten Konsens habe ich trotz aufmerksamen Zuhörens so nicht empfunden und würde diesem im Übrigen auch weitestgehend widersprechen. Deine Feststellungen über die dichterischen Strategien des Textes halte ich für einseitig und deshalb falsch. Assonanzen finden zwar klanglich wie semantisch statt, diese aber zum Haupttextprinzip zu erklären, scheint mir bei Weitem ungenügend. Deine These eines (so gesehen plakativen) Versuchs Reizüberflutung sprachlich fassbar zu machen bzw. Reizüberflutung gegen inhaltliches Verständnis auszuspielen, lässt in mir den Verdacht keimen, dass du dem Text von vornherein wenig Chancen eingeräumt hast bzw. mir als Autor wenig zutraust.
Desweiteren ist „mit dem Zeigefinger wedeln“ eine Redewendung, die ich nun schon des Öfteren von dir gehört habe. Bei manchen Texten, die in Form einer platten Sprecherhaltung oder Aussagenlogik „messages“ vermittelt haben, hattest du damit durchaus recht. Inwiefern du auch diesem Text eine Aussage oder eine moralische Haltung unterstellst und was genau diese Aussage im Einzelnen ist, müsstest du mir aber bitte noch mal erklären.
Deine Beobachtung, dass „stellenweise vokabular aus den bereichen hermeneutik und ethnologie auftaucht“ ist ja ebenfalls eine korrekte Beobachtung, der Zusatz „nur“ lässt mich wiederum bitter aufstoßen. Ich unterstelle hierbei, das du eine auf der Oberfläche stattfindende Bewegung des bloßen Aneinanderreihens bzw. Ausschüttens oder Setzens von Begriffen („einstreuen“ gefällt mir wie du es verwendest deshalb nicht, weil es dem Einstreuenden etwas beiläufiges, beliebiges, also implizit Dilettantismus vorwirft) unschwer erkannt hast, diese (rein lineare) Textstruktur aber als die einzige angelegte Richtung im Gedicht siehst und damit aufhörst, den Text weiter zu befragen. Verstehe ich dich hierbei richtig: du unterstellst dem Text Willkür und Effekthascherei, weil er „plötzlich und nur stellenweise“ (also formal wie inhaltlich unreflektiert?) Begriffe aus ursprünglich nicht-medialen bzw. „klassischen“ Diskursen „einstreut“. Deine vorgeschlagene Lösung wäre es dann aber, dieses von dir verworfene Konzept noch stärker zu machen?
ich hab in den nächsten tagen leider zu wenig zeit, um adäquat zu antworten, deshalb nur kurz: es liegt doch ein widerspruch darin, einerseits keine interpretatorischen erklärungen liefern zu wollen (also in die rezeption lenkend einzugreifen) und dann jemandem, der sich erst beim treffen und dann noch mal auf dem blog ausführlich mit dem gedicht auseinandersetzt, widerwillen und falsche absichten dem text gegenüber zu unterstellen. ich glaube vielmehr, dass ich den text sehr ernst nehme – eben als „bildverstrickung“ und in berücksichtigung das quantitiativ prominentesten verfahrens der assonanz – und versuche, das zu machen, was ich immer mache, wenn ich gedichte rezipiere: gründe dafür zu finden, warum mich etwas anspricht oder nicht, und zu fragen, ob das eine frage meines geschmacks ist, oder ob sich der text vielleicht selber beine stellt. und ich glaube nachwievor, dass hier an einigen wenigen, aber relevanten stellen das zweite der fall ist: einerseits liefert das gedicht tatsächlich eine beträchtliche menge an bildverstrickung (wobei das verstricken auf sprachlicher ebene funktioniert) und anderseits taucht u.a. begrifflichkeit aus der verständnistheorie auf, die immer nur kommentar sein kann. d.h. es vermischen sich zwei ebenen, und mein wunsch ist lediglich, dass das produktiv ist. und dafür liefert mir der text zu wenig. wenn man „liquider lenz der hermeneutik“ so platziert, klingt das für mich – sorry, ich übertreibe, um es klar zu machen -, als würde man am schluss eines naturgedichtes schreiben: „du kommst hier nicht rein“.
Sorry, dass ich erst jetzt zum antworten komme. Ist auch schon spät (3:00Uhr nachts), also wiederum kurz und wust:
Indem man bestimmte Prämissen einer Rezeptionshaltung heraushebt und als „dem jeweiligen Text nicht gerecht werdend“ kritisiert, hat man noch nicht notwendigerweise etwas in Richtung einer Interpretationsvorgabe gesagt. Dass mir das in meinem vorigen Kommentar trotzdem passiert ist, stimmt wahrscheinlich; ich sprach ja gleichzeitig von einer Unmöglichkeit, die vielleicht einfach eine Unfähigkeit meinerseits ist, meinen Standpunkt anders klar zu machen.
Natürlich verstehe und akzeptiere ich deine Vorbehalte, die du beispielsweise gegenüber dem verwendeten Begriff „hermeneutik“ hast. Ähnlich verhält es sich doch mit vielen anderen Begriffen im Text, namentlich „bildverstrickung“, „faktenzeugungsakt“, „horizontverschmelzung“, „heimatmythos“, „tradition“, undundund. Dein Argument, dass sich die Perspektive – gesetzt, dass man überhaupt von einer genuinen Perspektive ausgehen möchte – hier auf eine Art kommentierende Metaebene verschiebt, ist nicht von der Hand zu weisen. Ein guter Freund von mir hat das mal so formuliert: Da hat der Erklärbär hingeschissen. Ich denke, dass beschreibt doch am besten, was dich stört, oder?
Ich halte allerdings dagegen, dass mein persönliches Urteil, wie sich eine solche Tendenz zum Kommentar qualitativ auf einen lyrischen Text auswirkt, eine Frage gradueller Unterschiede ist, anders gesagt: die Ebene des Kommentars soll nur eine paradigmatische Möglichkeit darstellen, sie muss den Text wie du sagst „produktiv“ erweitern, sie darf bspw. nicht in einer moralischen Haltung verhaftet sein und den Text damit deutend einengen.
Deine Kritik war aber – zumindest im ersten post – umfassender, als du davon sprachst, dass die als kommentierend eigeschätzten Textelemente „die dinge nicht mehr erfahrbar“ machen würden. Und es ist diese wie ein a priori gesetzte Vorstellung des „erfahrbar machens“ im Text, an der ich mich grundsätzlich gestoßen habe. Auch dein verdeutlichendes Kommentar mit dem Naturgedicht weist mich nur noch einmal dahin anzunehmen, dass hier ein Anspruch von quasi transzendentem Erleben in der Sprache vorrausgesetzt wird. Die Illusion von einer Objektwerdung des Subjektiven im Kunstwerk, eine wie auch immer angestellte „Realisierung“ von unmittelbarem Erleben im Text – also eine Vorstellung, die ich grundsätzlich für albern halte, egal ob sie klassisch-sentimentalisch, figürlich-kokett (im Körper/Fleisch/Blut&Sperma-Kostüm) oder sprachlich-experimentell verkleidet daher kommt.