tunneln
tätigkeitsvariante der sachlage tunnel. lässt bei abwesenheit eines tunnels anderes zum tunnel werden – wobei es um die handlung, nicht ihr resultat geht: was getunnelt worden ist, wird nie tunnel geworden sein.
tunnelblick
theoretisch die art und weise zu schauen, als ob man sich in einem tunnel befände. praktisch die behauptung einer person a, eine person b verhalte sich erstens so und möge dies zweitens unterlassen, um eine gleichheit der gefühlten räume zu erlangen: gemeinsam zu schauen, als ob man sich nicht in einem tunnel befände.
tunnelgleichung
aussage: im fall eines tunnels finden gegensatzpaare ihren gegensatz.
erster beweis: befindet man sich außerhalb eines tunnels, existieren ausschließlich zwei tunneleingänge. befindet man sich innerhalb eines tunnels, existieren ausschließlich zwei tunnelausgänge. folglich hat ein tunnel nie eingang und ausgang zugleich.
zweiter beweis: während das licht am ende des tunnels sichtbar und somit nachweisbar ist, wird sich das licht am anfang des tunnels, das sich aller wahrscheinlichkeit nach in der zur blickrichtung je entgegengesetzten richtung befinden müsste, nie in seiner existenz nachweisen lassen.
tunnelzwang
beschreibt die unmöglichkeit, in einem tunnel andere raumfaktoren als den tunnel selbst gelten zu lassen. auch wenn man bspw. von einer straße kommend und auf eine straße fahrend den tunnel durchquert, wird man sich währenddessen nie auf der straße, sondern immer im tunnel befinden. und obwohl der untergrund eines tunnels vollkommen mit der sachlage straße übereinstimmen kann, kann er nie selbst straße sein. führt also eine straße durch einen tunnel, gibt sie einen teil ihrer existenz auf.
tunneldurchquerung
weg des geringsten weges.
brücke
weg des geringsten tunnels.
tunneln beschreibt doch eher die Fähigkeit eines kleinen Teilchens durch eine Energiebarriere zu „tunneln“ ohne dabei diese Barriere zu übersteigen.

Dabei ist die Tunnelwahrscheinlichkeit definiert durch:
check your facts
Ich muss sagen, dass ich etwas Baff bin. Ich mag den Text aber, die Windungen und Wendungen der Sätze gefallen mir. Sie sind lang und anspruchsvoll, die Art des Inhalts passt aber hervorragend dazu. Es ist für mich harmonisch in Form und Inhalt, das haut mich wohl so um. Präzise und poetisch. Fast Lexikalisch ;)
Ich mag es, ich kann dir grade nichts Konstruktives dazu sagen, weil mir nichts Verbesserungswürdiges auffällt, noch sehe ich da keine Stellen, die ich ausbessern würde.
Mir scheint in diesem Text der Lexikon-/Katalog-Charakter nicht mehr so durchdringend wie im Schatten-Text (was mich jedoch keineswegs stört). Ich schätze, das kommt davon, dass hier zwar auch u.a. mit Annäherungen vom (behaupteten) Gegenteil her an einen scheinbar so allbekannten Begriff an der dabei entstehenden Unmöglichkeit eines gleichbleibenden Objekts gearbeitet wird, aber nicht mehr auf so kleinem Raum und mit so einfachen Begriffen (Licht, Schatten, Dunkelheit, Schichten) wie im anderen Text.
Damit erhält dieser Text für mich verstärkt etwas von einer Beobachtung des Katalogisierens selbst, und damit auch einer Hinterfragung des Schreibenden hin zum Objekt (was du, Alex, in dem Kommentar zu deinem letzten Text ja auch erwähnt hast, ich jedoch erst hier auch deutlich im Text zu erkennen glaube). Ich folge diesem Vorgang äusserst gerne.
Unglücklicherweise bleibe ich wiederum in der zweitletzten Strophe stecken („weg des gringsten weges“). Verstehe diese Verdoppelung nicht, bzw. sie erfüllt für mich die erklärende Funktion nicht.
Dies wiederum sehr wohl tut dann die letzte Strophe, durch dieses wunderbar (scheinbar) simple Verfahren der Annäherung vom Gegenteil.
Vielleicht liesse sich einfach eine andere Wortkombination finden anstatt „weg des geringsten weges“ um die abschliessende Form dieser letzten beiden Begriffe beizubehalten.
Freue mich sehr, dass du noch einen Katalog-Text hochgeladen hast!
Danke erneut für die Rückmeldung, das hilft mir immer, das Projekt selbst einzuordnen. Denn grade bei der „tunneldurchquerung“ hätte ich gedacht, das sei das Naheliegende: Nimmt man den Tunnel, muss man nicht über den Berg, d.h. man nimmt die „Abkürzung“ – also den „weg des geringsten weges“. Natürlich tut die Art der Beschreibung da das ihre, aber genau das soll eben plastisch werden: Was man wahrnimmt, hängt davon ab, wie man es wahrnimmt. Und so ging es mir in diesem Katalog vielleicht mehr darum, scheinbar „klar so Seiendes“ durch den Modus der Beschreibung zu verunsichern, zu destabilisieren: Wo etwa Abkürzung vorliegt, scheint sie plötzlich da komplex zu werden, wo die Sprache sich selbst abkürzt. Oder: Wie kausal ist eigentlich Kausalität, wenn das, was aus etwas folgt, dass man als „so seiend“ annimmt, plötzlich befremdlich wirkt. (Nicht also: Dichtung als interessante sprachliche Verdichtung und Komplexisierung von Vorliegendem. Sondern: Dichtung als „zur Sprache bringen“ der immer schon vorhandenen Dichtheit und Komplexheit von interessantem Vorliegendem.)
Wenn es z.B. „bergdurchquerung / weg des geringsten weges“ hiesse, würde sich bei mir auch der Vergleich zum alernativen Weg über den Berg anbieten. So aber hat der sich bei mir nicht eingestellt, insbesondere da der Berg als der, welcher den Tunnel ermöglicht, noch überhaupt nicht erwähnt wurde. Aber vielleicht geht es auch nur mir so.
Diese beiden Texte geben sich einfach so „benutzerfreundlich“, dass ich aus irgendeinem Grund sensibel bin auf diese kleinen Stellen wo ich glaube, kleinste Informationen zu vermissen.
Wobei bei „bergdurchquerung“ natürlich tunnel als Wort fehlen würde in der Strophe, was wohl nicht geht.