die uhr dreht rechts
so biegt nichts erneut
gedämpfte worte warm
in die hand gesprochen
um den kleinen finger
klar getropft momente
an der scheibe die minuten
am lid die zerlaufene nacht
öffnet das fenster
draußen küssen sie sich
trocknen das gesicht
tränken faserige lippen
das ist wieder das alte bild
mit neuem sekundenblick
an der scheibe
auch morgen schon
dreht sie rechts
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Kommentare
Ich mag den Text! Einerseits weil er etwas perfektioniert, das schon einige ältere Texte von Nele und auch einige von Lea geprägt hat: eine sehr präzise Blickführung. Mir wird vollkommen klar, aus welcher Perspektive und in welcher Stimmung das vom Text Beschriebene versprachlicht wird. Oder anders gesagt: Ich bin sofort mittendrin. Andererseits finde ich echt, dass das Gedicht noch mal eine richtige Weiterentwicklung in Neles Schreiben darstellt. Vor allem der minutiöse Umgang mit der Form und die Tatsache, dass jedes Wort bewusst gewählt und gesetzt ist (sprich keines zu viel), gefallen mir da sehr. Fragen habe ich eigentlich nur an zwei Stellen: Das „das ist“ im dreizehnten Vers bricht den Rhythmus vielleicht etwas zu sehr und scheint mir etwas zu bestimmend im Vergleich zum Rest. Und das „schon“ im vorletzten Vers verstehe ich nicht. Mir gefällt, dass dadurch das erwartbare „noch“ unterlaufen wird, aber trotzdem wirkt es so auf mich etwas unstimmig. Was meint ihr dazu?
Hmm, also zum „schon“. Ich interpretiere das Gedicht als eine Arbeit, die privatheit und außenwelt thematisiert, das Erwartbaren und das Persönliche: „und so etwas wie uns gibt es doch nur hier“. Nur das diese Idee nicht, wie bei Linus, an dem ironisch-naiven Punkt der Selbstvergewisserung against all odds stehen bleibt, sondern sich mit jenem „schon“ des eigenen Endes bewusst wird, ohne es dabei zu emotionalisieren: Die Uhr dreht sich nach rechts, die Dinge fallen nach unten, draußen seh ich es, drinnen will ich es jetzt nicht glauben (es ist ja gerad da), aber ich weiß es, „morgen schon / dreht sie rechts“. Das gefällt mir gut und es ist wie du sagst ein gelungenes Gedicht, weil es den Pathos unterschwellig hält, so bescheiden vom eigenen Glück und seiner Zerbrechlichkeit spricht.