immer, wenn mein auge liest, beäugt die lese des eben
geschehenen sich (wieder) neu. denn mein raum räumt (so
gelesen) seine ordnung auf, zu brechen, und ich weiß: auch,
wenn ich schreibe, bin ich (schrift) im besten fall versiert, zu-zu
sortieren. das reicht (manchmal), in meinen augen, platz zu glauben,
ernst zu nehmen: ich bin draußen, und: pflanzen-pflanzen. das
eben gesehene geschieht mein schreiben um, ich nehme nun
das vegetieren wahr, auf aus insekten, deren rumsummen sich
in meinem horchen neu bewahrheitet. die ohrmuschel ist mein
gehör (meer), hört mehr, als das tiere rauschen, schiere tauschen
pflanzen hier. und immer, wenn dann langsam klang-klang die
oberhand in seine nimmt, ist die kuhle (so besehen) mehr als ruhe.
das ist wohl der poetologische text… ich find sehr schön, was mit der Sprache passiert (wie auch bei dem SMS-Text). inhaltlich knüpft das ein wenig an unsere Metadiskussion vom Anfang des Blogs an, oder? (das ist dann schon der Versuch einer Interpretation, worauf meine Kritik jetzt fußt):
Mir fehlt etwas. da ich das gerad nicht genau lokalisieren kann, würd ich es mal so sagen: das Gedicht ist in meinen Sinnen nicht polyphon, sondern zweistimmig. inhaltlich passiert was (relativ lokalisierbar) und sprachlich passiert was (auch lokalisierbar) aber ich bin mir nicht sicher, ob mich die Bildlichkeit anspricht (also wirklich ergreift): kühl besehen ist da thematisch „schreiben“ und „umwelt“, gequetscht durch die verschiedenen Sinne. Zweitens die Wechselwirkung dazwischen. Dann springt das zwischen Auge[sehen],Raum[logik],schreiben,(1.Vers); Auge[sehen],Raum[Natur(pflanzen)],schreiben (2.Vers); Ohren[hören],Natur[Meer,Tier],Klang,Hand (3.Vers)
…ich kann aus diesen verschiedenen Bildern zu wenig machen,das franst mir zu sehr aus,wenn ich es lese:wenn sehen und hören, warum dann nicht auch riechen und warum zwei VErse sehen und ein mal hören; wenn natur, warum dann pflanze tier und meer und nicht himmel oder regen usw… und wo kommt die hand her,außer in Bezug zu „Oberhand haben“? (was eine schöne idee ist!) und, aber das ist eine prinzipielle Frage, wie viel (eindeutige) poetologie verträgt ein text? (sind nicht Texte von dir wie „am anfang nervosität“ u.ä. immer schon poetologisch?)
Ich würde mich um Anregungen freuen – was kam denn bei der Besprechung raus?
Die Besprechung zielte vor allem auf Dinge, die ich mittlerweile überarbeitet habe, das war eine schöne und konstruktive Kritik, die mir sehr geholfen hat, und mich würde interessieren, was die, die gestern dabei waren, zur überarbeiteten Fassung sagen.
Zu dem, was du schreibst: Einerseits kann ich, was den ersten Eindruck beim Lesen angeht, deine Kritik nachvollziehen (und ich glaube auch, wie du vermutest, dass das dem gewählten Thema etwas inhärent ist). Andererseits verwechselst du ein bisschen Poetologie und Programmatik. Nur ersteres wäre mein Interesse: das Beschriebene im Schreiben gleichsam nachzuvollziehen. Eine logisch aufgebaute Programmatik, die konsequent etwa alle Sinne durchdekliniert und eine komplett durchstrukturierte Argumentationsebene hat, scheint mir beim Schreiben übers Schreiben fahrlässig zu sein, gerade wenn doch thematisiert wird, dass weniger das Planmäßige-Umsetzende und mehr die Formgebung des Einwirkenden dieses Schreiben bestimmt. Das Interessante wäre mehr eine Probe am Exempel als eine umfassende Behandlung aller Aspekte.
Gleichsam sehe ich rückblickend durchaus eine mögliche Struktur, die sich vielleicht weniger im von dir beschriebenen thematischen Schema bewegt, sondern eher in verschiedenen aufeinanderfolgenden Verfahrensschritten: 1. theoretisch, 2. praktisch im Einwirken einer Situation, 3. praktisch in der sprachlichen Bearbeitung dieses Einwirkens. Aber das ist meine Leseweise und weder eine direkt intendierte, noch die ‚wahre‘, tiefere ‚Bedeutung‘ dieses Textes.
Ansonsten gilt natürlich (und das finde ich insb. spannend): Je mehr man bekenntnishaft riskiert, desto angreifbarer wird man – zu Recht.
danke für die antwort :) deine nachträgliche struktur hilft mir mich dem gedicht zu nähern. wie alex interessierten mich nun auch die einschätzungen aus anderen perspektiven…
Entschuldige übrigens: Ich habe wahrscheinlich deine Kritik an der Bildlichkeit zu sehr aufs Ganze bezogen, brich also meine Antwort bitte auch wieder darauf zurück. Danke :)
hach und alles löst sich auf in wohlgefallen… mir ging es ja gar nicht darum, poetologie gegen programmatik auszuspielen (als müsste die immer komplett oder gar logisch sein) – ich war ein kleines bisschen verzweifelt nach deiner antwort. worum es mir ging/geht ist, dass eine programmatik für mich immanent (oder anders) Sinn ergeben muss. Mir geht es darum, die kontingenz der lyrischen Assoziationen zu bändigen, so dass ein dritter urteile über die kunstfertigkeit des gedichtes fällen kann. Anderes entzieht sich weiterhin (die daumen-hoch,daumen-runter Problematik von Kolbe). Und da wollte ich eigentlich fragen, wie du und wie andere die Bildlichkeit in ihrem Zusammenhang verstanden haben, weil mir das schwer fiel…
In dem Sinne trifft meine vorige Antwort schon auch zu: Wogegen sich der Text ja sperrt, und das ist mir auch wichtig, ist eine Entzifferbarkeit, die ein (hermeneutisches) Lesen, das hinter der Textoberfläche den verbuddelten Sinn ausgräbt, rechtfertigt. Es soll eher um eine Erfahrung von irgendwie geartetem ‚Anderem‘ gehen, mit dem wiederum ein je anderer Umgang gefunden werden kann. Im besten Fall spricht der Text etwas in einem an, das man nach der Lektüre aber neu und anders perspektivieren kann. Dafür braucht es durchaus ein Netz an nachvollziehbaren Strukturen, die aber mehr auf die Ermöglichung einer Erfahrung oder einzelner Erkenntnisse angelegt sind als auf ein sich aus Unverständnis gänzlich emanzipierendes Verständnis. Etwas, das, wie ich übrigens finde, gerade deine Texte sehr offensiv praktizieren.
Aber umso mehr interessiert mich, ob auch die Anderen Probleme mit den Bildern haben!
Lieber Alex, seit gestern Abend habe ich viel nachgedacht über deinen Satz zur Rolle der Bedeutungsstruktur in unserer Dichtung. Anbei ein kurzes Gedankenprotokoll:
(1) Folgende Dinge halten ein Gedicht zusammen (kein Anspruch auf Vollständigkeit): Metaphorik/Bildlichkeit, Rhythmus, Sprache (Struktur, Grammatik), Gedanke. Quer dazu liegt die Diskursive Stellung: die sprachimmanente Verortung des Gedichts (in der Sprachstruktur) sowie das Verhältnis Signifikat/Signifikant (das Wort in Bezug auf die „Welt“). All diese Dinge sind wesentlich, weil das Gedicht wesentlich Vielstimmig ist. Beachtet man eine Ebene nicht, hat man sie nicht beachtet, mehr nicht – sie bleibt für jede Rezeption relevant.
(2) Du hast recht: meine Dichtung entsteht häufig aus einer konkreten Idee und emanzipiert sich im folgenden Prozess. Den Inhalt verstehe ich dabei als ein vielschichtiges Instrument der Kohäsion, nicht ein Interesse an sich. Das verweist auch auf meine Arbeit mit angezeigten und/oder latenten Zitaten: dass der Inhalt nichts eigenes ist, sondern einem weiteren Kontext entlehnt, untergräbt den Anspruch auf Authentizität: Ich glaube nicht, dass Texte verstanden werden, sie interpretiert und die Worte mit losen Erfahrungsfäden verknotet. Die Summe der Knoten hat mit dem Angebot des Gedichts und dem Hintergrund des/der Rezipierenden zu tun.
(3) Dabei frage ich mich allerdings, was wir mit dem Sinn anstellen wollen… dein Ansinnen zwischen den Zeilen vom Anderen zu flüstern, ist mir sehr, sehr sympathisch! In meinem letzten Beitrag habe ich eine wilde Bildlichkeit benutzt und, sozusagen, mit schrillen Farben gemalt, was sich ja auch z.B. monochron oder in caspardavidfriedrichfarben darstellen ließe. Bei deinem wie bei meinem Beitrag handelt es sich um eine Poetologie, den Auftakt zu einer Arbeit, welche die Worte in ihrer Nomadenhaftigkeit, die Bedeutungen als permanenten Plural im synästethischen Zusammenspiel (!) versteht. Diese Lyrik ist quetschen, dehnen, verstecken, verwirren und mit viel Glück (und Mut!) die Verarbeitung des ganzen in einem großen Fleischwolf.
Dem hab ich vorerst wenig hinzuzufügen. Good vibes :)