Die stadt war wolkig: niemand schrieb über sie,
auch nicht in diesem katzensprungsommer,
in dem wir (springend) die regel aufstellten,
dass niemand jemals gehen dürfte:
nicht aus dieser Stadt, deren nachthimmel wir
ernst nahmen, in der sich aber zum glück
immer noch ein feuerzeug fand, sodass wir
zwar im dunkeln nicht lesen aber doch
wenn nötig sichergehen und ein kurzes aufflackern
unserer gegenüberliegenden gesichter
sehen konnten, fast so gut wie das fenstermuseum
auf der anderen straßenseite, wo wir
zu sommerbeginn gewartet hatten und wo jetzt
unser bedarf an wolken täglich stieg, sodass
wir kaum zeit hatten, nicht noch mehr zu verlieren
und uns trafen (worauf wir uns immer trafen), auf
blätter und löffelweise blauen himmel, auf
gestockte gespräche wie eiweiß, auf eine
hängengebliebene platte im café die so leicht
in der luft schwamm, dass man ihr problemlos
minutenlang dabei zuhören konnte, eine versuchung
der wir dann aber doch widerstanden; stattdessen
saßen wir auf bänken im park und beobachteten
unsere zunehmend hilflosen schuhe
„dass niemand jemals gehen dürfte:“ – genial!
aber was machst du dann mit: „Wenn nötig sichergehen“?
:)
ich mag dieses gedicht sehr sehr gerne, es ist wie ein rueckblick in einem film, mit musik statt gesprochenem ton und fokus auf eine emotionale entwicklung anhand symbolischer gegenstaende und gesten, nur nicht so kitschig, wie sowas meistens ist, weil sozusagen die musik gut ist, also der tonfall: bluesmaessig seelenpornographisch (aber nicht in so einer ich-bin-ein-herz-zerreiss-mich weise) und gebrochen, nicht sehr, aber genug, dass das ganze nicht standard wirkt (ausser das ganz ganz boese wort ‚cafe‘). flow durch grammatikalische strophensprengung aber auch aus inhaltlichen linien: gegenueberliegende gesichter/fenster, gehen-springen/hilflose schuhe, gestocktes eiweiss/wolken, etc. – vielleicht liesse sich das sogar noch verdichten, was diese subtileren verknuepfungen angeht.
„eine versuchung/ der wir dann aber doch widerstanden“ kommt, so als joviale seitenbemerkung, etwas random daher, als muesste der vierzeilenblock noch voll werden. ganz anders
„wo jetzt/ unser bedarf an wolken taeglich stieg“, und dann das ganze mit worauf und auf blaetter und so, das ist ja echt hammer.
ja und „mit neuem ende“ finde ich uebrigens auch als titel ziemlich gut. soviel erstmal.
yo!
der besagte tonfall erinnert mich uebrigens an das hier: http://www.youtube.com/watch?v=s4_4abCWw-w , was sehr sehr positiv gemeint ist!
mich bewegte dieses gedicht schon das erste mal als ich es gelesen habe. linus trifft es sehr gut, wenn er die bildlichkeit beschreibt welche du hier vermittelst. doch ich würde nichts verdichten. die wolkige, eischaummäßige weiche atmosphäre dieser zeilen gingen dadurch eher verloren!