wo (die gurgel!) hände sein können. z.b. birma.
das spülen kleiner hähnchenfüße in blechtöpfen
und das schrumpfen (wie sagst du gleich?) von
ellbogenhaut ausgerufen. richtlinie für den ver-
brauch von schurz in schwüle. quetschen spar-
gel, fahre nachts ski auf deinem nacken, bis du
ärger lachst, chelst. kopfröte und sprossen. wieder
gurgel. sodom, schimpf, odol (das hab ich hungrig)
rummelplatz unterton auch schon mal witzer. ein
griff. und aus. wie du die hellen töpfe pflückst
von dem umrahmten schacher blumen (ruf ich:
„schwitzend an, opal, geh gießen!“) gorgonzola.
ohne dich ein loch. die nase. deine gurgel, pergula,
ist schön. und wieder sprossen. füßeln, hennen,
spulen. von bunten ellen, fast bei birma, nicht die
„rede! denn wo warst du, schwester?“ schnee ganz
nackt in heiß, in schürz. kopfpflaster schimpft und
rummelt aus (sag’s nochmal!) ob. schawarma quer
hat der verbraucherschutz, so doch fataler griffel.
quetscht nüstern spargelhaft nach ostern: ski. ja-
wohl! drunter das wartend schwüle mundwasser,
der bruch um abendröte (komm schon!) witze,
frosch und spule. blechdach-tröpfeln gurgelt’s
schelte, spaß. wie’s luchst, dein händchen rechts.
(du lachst) so aber spurt. nie wieder schutz-ob.
ich möchte mit diesem kommentar reagieren auf die harsche und einhellige kritik, die meinem text beim vorletzten und diesem text von ilja beim letzten treffen widerfahren ist und an die auch linus’ kommentar zu meinem neusten text anschließt (https://gdreizehn.wordpress.com/2011/07/12/sudo-ben-ahmed-clou/#comments). obwohl diese kritik insb. im falle meines texts vom vorletzten treffen (der, mittlerweile überarbeitet, aus open-mike-gründen leider nicht auf dem blog ist) sicherlich ihre berechtigung hatte, geht es mir hier v.a. darum, auf einige grundsätzliche punkte hinzuweisen, die die kritischen stimmen vernachlässigt, verdeckt bzw. nicht interessiert haben – die meiner meinung nach aber zentral sind.
zuerst zum grundsätzlichen:
was mir mittlerweile wie ein mantra in den ohren liegt, ist der vorwurf, der immer dann kommt, wenn der bedeutungsskeptische ansatz sich nicht mehr nur ein element in der verhandlung von themen ist, sondern im experimentellen sinne v.a. für sich selbst steht: das hätten wir erst im dada und dann bei oulipo/wiener gruppe/bielefelder colloquium doch alles schon gehabt, und während es damals noch prickelnd, weil neu und irgendwie revolutionär gewesen sei, sei es heute nicht mehr als letztlich hinfällige kopie. diesen vorwurf halte ich aus zwei gründen für obsolet:
1. wird er zwar praktisch immer bei dadaesken texten vorgetragen, praktisch nie aber bei den zahllosen texten der gegenwartslyrik, in denen Ich oder Wir den komplexen herausforderungen der urbanität oder (post-)moderne begegnen – obwohl wir das nun schon deutlich länger und häufiger gehört haben (von naturlyrik ganz zu schweigen). letztlich ist das interessante doch vielmehr, wie und in welcher weise innerhalb der jeweiligen ansätze alte wege fruchtbar und neue gegangen werden.
2. war der anspruch von sowohl dada als auch konkreter poesie ja stets der, konzepte zu erarbeiten, die zu den in der moderne immer fragwürdiger gewordenen sinnhaftigkeits- und kohärenzvorstellungen von sprache wie realität einen (radikalen) gegenentwurf leisten sollten. es ging um klanglichkeit statt sinnlichkeit, bruchhaftigkeit, serialität, konnotation statt denotation usw. usf. mich würde mal interessieren, ob es überhaupt irgendein argument gibt, das widerlegen könnte, diese problematik zu bearbeiten, sei heute virulenter denn je.
setzt man das voraus, ist es die eine sache zu sagen, offensiv sprachexperimentelle texte verstehe man nicht bzw. sie sagen einem nichts oder sie langweilen einen, weil eine solche bedeutungskritik letztlich keine variation zulasse und immer nur aufs gleiche zulaufe. es ist die andere, ob man damit den texten gerecht wird. (das gleiche gilt doch bspw. in unserer auseinandersetzung mit älteren texten: oft sagen wir zurecht, die texte gefallen uns nicht, weil sie altbacken seien. dass sie deshalb aber schlechte literatur seien, können wir nur deshalb auf keinen fall sagen.)
und das bringt mich endlich zu iljas text, von dem ich zuerst von verschiedener seite gehört hatte, dass er beim treffen sehr schlecht aufgenommen worden sei, was mich dann, als ich ihn gestern abend zum ersten mal las, aus allen wolken fallen ließ. denn ich finde den text eben nicht nur deshalb super, weil er mir geschmacklich zusagt, sondern auch weil er sich unheimlich produktiv an einer vielzahl von dingen abarbeitet. ich möchte zwei punkte ansprechen.
erster punkt: der zusammenhalt.
mir kam das gerücht zu ohren, der text leide darunter, dass er auf ein narrativ verzichte. das gegenteil ist der fall. statt dass der text auf ein narrativ verzichtet, entwirft er ein gegen-narrativ: das ist nicht mehr durch die klassische folge erst-dann-später-schließlich organisiert (syntagmatisch), sondern durch das ständige wieder-aufgreifen von begriffen aus dem bereich der körperlichkeit (paradigmatisch): insg. 17 mal tauchen sie auf und werden jeweils neu konnotiert und bearbeitet. das narrativ ist nicht inexistent, sondern es zerfällt einem vor den augen, wie der körper einem vor den augen zerfällt – und gerade darin liegt ja wiederum ein narrativ: „wo hände sein können“ / „wie’s luchst, dein händchen rechts“.
zweiter punkt: die thematik.
was hier vor augen geführt wird, ist allem voran eine frage der verortung in der zwischenmenschlichen begegnung. wir haben ein Ich und ein Du, die interagieren – klassischer gehts nicht. nur findet diese begegnung hier nicht klassischerweise primär auf emotionaler ebene statt, sondern auf einer körperlichen, die so körperlich ist, dass die emotionalität droht, dahinter zu verschwinden. und das deshalb, weil die körperlichkeit unfassbar bleibt. der körper ist ein fragmentierter: hier begegnen sich nicht zwei liebende, die im akt die unio finden, sondern hier begegnen sich körperteile, von denen unklar ist, wem sie gehören, ob sie überhaupt den protagonisten gehören (daher die assoziationen zu birma, tieren etc.), und die auch noch jedesmal anders konnotiert sind. dekonstruiert ist damit das imaginäre moment der körperlichen begegnung in der liebe, und gerade weil der text so viel ausfranst und ständig neue bildfelder einbezieht, gelingt es ihm, in seinem letztlich aporetischen verlauf eine prägnante position in fragen wie etwa der beliebigkeit von liebe etc. zu beziehen (so weit würde ich auf jeden fall gehen wollen, das ist im text angelegt).
will sagen: meiner ansicht nach findet der text eine adäquate form für seinen inhalt und lässt man sich auf dieses spiel ein, wird man es als ein sehr produktives begreifen. die kritik, der text sei dann nicht mehr ansprechend zu lesen oder was auch immer, mag vielleicht für viele zutreffen, berührt aber ein anderes problem: das sagt nichts darüber aus, dass der text schlecht ist, sondern nur darüber, dass man ihn ungenießbar findet (ähnliches sagt man ja seit jahr und tag immer wieder über avant-garde-ansätze). dieses problem, aber das nur am rande, lässt sich meiner ansicht nach in der performance bzw. einer einbettung in aktionskunst aufgreifen. (ilja und ich haben da einiges in planung.)
— das finde ich jetzt wirklich die höchstform der interpretation. ich und du, okay, aber begegnung zerfallender körperteile als gegenmoment zum imaginären moment der körperlichen begegnung in der liebe find ich an allen körperteilen herbeigezogen. da luchst mein händchen also.
zerfallende emotionalität? ok, die emotionalität ist nicht da, aber das heisst ja noch lange nicht, dass ein zerfallen der emotionalität das hinter sprachliche spielerein rückt gezeichnet wird…
wenn man meint, das dies das thema des textes sei, dann kann ich sehen, wie man auf eine solche form kommt, das passt. aber bis man von diesem text auf ein solches thema kommt? bis man auf so eine interpretation kommt muss man doch entweder auch solche texte schreiben und denselben anspruch haben, s.d. man diesen dann mühelos in so einem text erkennen kann oder auf teufel komm raus eine interpretation haben wollen?
(abgesehen davon verstehe ich auch einiges an deiner eloquenten interpretation nicht, z.b. was das imaginäre moment der körperlichen begegnung in der liebe sein soll. wieso ist körperliche begegnung in der liebe imaginär? oder wieso emotionalität genau deswegen hinter körperlichkeit verschwindet, weil diese unfassbar und fragmentiert ist. aber das nur so nebenbei – meine philosophiestudentische kleinkariertheit geht mit mir durch. es luchste wieder so in meinem händchen.)
Ich möchte mich erstmal Tabea anschließen und deine Interpretation ein wenig übertrieben finde.
Außerdem verstehe ich dein Anliegen nicht, dieses Gedicht als Dekonstruktion von x zu verstehen, wenn es in irgendeiner Weise sprachkritisch sein soll. Stimmte deine Interpretation, dann würde nur gezeigt, dass die Sprache auch stark desfiguriert noch Sinn transportiert, der sich in einer Interpretation übersetzen lässt. Das wäre keine Sprachkritik, sondern eher ein Lob auf ihre Flexibilität. Wenn es gegen ein bestimmte Sprachpraxis agitieren sollen im politisch/gesellschaftlichen Sinne (etwa die Hässlichkeit des Wortes Schützengraben hören lassen), dann wüsste ich nicht gegen was hier genau geschrieben wird.
Ich behaupte aber, dass der Anspruch, den du für dieses Gedicht aufmachst zu hoch angelegt ist. Wenn ich keine Sinnkritik irgendeiner hergeholten Art entdecken muss, finde ich die zahlreichen (Klang-)Bilder, die hier miteinander assoziiert werden, ansprechend genug und ihnen zu folgen genussreich, wenn ich das mal so angestaubt sagen darf. (Auch wenn nach deiner Interpretation der gequetschten Spargel (der ja auch noch zerbrochen ist!) für mich eine ungewollte Komik gewonnen hat). Das geht ganz ohne Interpretation, gegen die sich das Gedicht ja auch sperrt.
Und ob irgendetwas „virulenter ist denn je“, dazu wünsche ich mir ein Gedicht, dass das mal dadagerecht auseinandernimmt.
drei dinge.
erstens freu ich mich sehr über eure rückmeldung, möge die diskussion schwelen. :)
zweitens ist das, was ich vorgelegt habe, keine interpretation: ich habe nicht versucht, den sinn des textes zu bestimmen, sondern ansätze dafür zu finden, womit er sinnfraglich umgeht. mir ging es nur darum zu zeigen, was der text wie macht, nicht, warum er es macht. das ganze war also als lektüre und nicht als interpretation gedacht.
drittens muss man dafür meiner ansicht den text einfach nur lesen – ich verstehe überhaupt nicht, warum ihr meine überlegungen überzeichnet findet: Ich und Du begegnen sich hier praktisch ausschließlich über einzelne körperteile. körperliches begegnen zwischen zwei menschen ist sexuell konnotiert. und mit dieser konnotation wird nun eben anders umgegangen als in sonstigen texten: statt dass es zur empfindsamen berührung, vereinigung oder was auch immer kommt, bleibt es bei der jeweils neuen thematisierung und konnotierung der körperteile. das ist rein induktiv gelesen und bedarf keiner hohen interpretationskunst.
ohje, jetzt wollte ich da was zu sagen, aber weiß jetzt gar nicht, was.
ich nehm mir die laichenteile der diskussion vor:
vorwurf gegen ilja, nicht narrativ zu sein. absolut, ich fordere:
ab jetzt nur noch gedichte nach dem schema: titel – hölderlin-zitat – erste strophe, auftritt lyrisches ich – zweite strophe, auftritt lyrisches du – dritte strophe, auftritt lyrisches motelzimmer – vierte strophe, lyrisches du ruft lyrisches ich nicht mehr, einmal schmerz auf herz reimen. -> narrativik fordern ist doch beklöppelt. wer bock hat, balladen und epen zu schreiben, der soll’s machen, dieses gedicht will es eigentlich nicht und tut’s mir persönlich, um mal in die andere richtung zu kritteln, doch zu sehr:
denn, wie du, alex, ja richtig sagst: das strotzt vor leitmotivik. mir ist das schon fast etwas banal, das mit dem ski im nacken z.b., die verschränkung von eis/bumsen wird einem ja schon mit dem titel ins gesicht geklatscht. das hat er doch nicht nötig. der text hat in meinen augen ein wahnsinniges potenzial und sollte noch weiter gehen, definitiv. denn so kann ich mich zwar an der verarbeitung von dem freuen, was ich da thematisch verankert finde, aber mir wärs lieber. ich sehe da nicht mal den reinen rückzug auf klanglichkeit (die ich letztlich auch uninteressant finde), sondern viel arbeit mit inhalten. finde ich soweit gut, kann aber noch mehr abdrehen meiner meinung, dann wird’s zu noch mehr spaß und arbeit für den leser, die punkte zu verbinden. guter nebeneffekt übrigens: die punchlines sind weniger, oder wenn dezenter, oder wenn dann auch einfach gleichzeitig witzig wie ernst zu nehmen.
zu dir tristan: deine rührende verteidigung von dada und konkr poesie, nu, da kann ich nicht wirklich was zu sagen, von den beiden strömungen hab ich keine ahnung. aber was du beschreibst lässt sich so auch auf eine g. stein, einen s. mallarme, einen a. rimbaud etc. pp. anwenden – mit abschwächungen hier und da natürlich. trotzdem kam da was anderes bei raus als bei h. ball oder e. gomringer. das zielt also meiner meinung nach voll auf die verwendung von sprache ab (so weit, so offensichtlich). reine klanglichkeit find ich langweilig, die karawane hat mich nie interessiert, und die reine klanglichkeit seh ich auch in deinen texten nicht prävalent. du gibst einem oft bereits durch linguistisches vokabular und verweise immer gleich die klinke in die hand: ach, by the way ist das selbstreflektiv auf phonetisch/semantischer ebene. das ist doch problematisch, oder? ich finde schon, weil du zeitweise bedeutungsschwere klopper raushaust, das war im letzten text zum beispiel dieser gruselige bahnhof verstehen-einstieg. da weiß ich von der ersten zeile, was mich erwartet und ab da an macht jeder kringeln, jedes taschenspielernde wort, jeder semantische zeilenklifferhänger so verblüffend viel sinn, dass ich mich höchstens noch damit begnügen kann, die klanglichen/semant. spielereien ganz neat zu finden und gut ist.
ich weiss nicht, ob ich mich klar ausdrücke, aber… erst mal muss dieser wissenschaftliche gestus da weg, er steht den texten im weg. sugo… finde ich etwas übertrieben und mit etwas zu geschwollener brust auf der klangklaviatur rumgepoltert, aber an sich geht er einen schritt weiter als iljas text, was ich so doch ganz schön finde.
mit dem wissenschaftlichen gestus hast du voll und ganz recht: selbstreflexivität im modus einer selbstrechtfertigung ist schwachsinn. produktive arbeit am gegenstand für den gegenstand, nicht produktive arbeit am gegenstand fürs lehrbuch. sinnhaft sinnfraglichkeit zu demonstrieren schießt sich selbst ins knie. das ist vielleicht eines meiner grundprobleme, aber ich arbeite hartnäckig daran. :) was zur diskussion jetzt aber nur eine randbemerkung war.
leider war ich ja bei der besprechung des textes nicht mehr dabei und weiß deshalb nicht genau, in welchem kontext die forderung nach mehr narrativ aufkaum. kann mich da aber sowohl kristoffer als auch alex nur anschließen: wozu braucht man denn in lyrik unbedingt ein narrativ? man kann ja selbst prosa ohne schreiben, wenn man lustig ist. und außerdem, wie geschrieben, ist der text doch eher übervoll an narrativ, erinnert mich irgendwie an ein lied ohne strophen, nur mit refrain. und das wiederum finde ich spannend: eine nicht-lineare textströmung zu finden, die sich vom zwang befreit, zeitlich/räumlich von vorne nach hinten zu erzählen und kohärenz dafür über eine kreisende struktur und/oder rhythmus herstellt.
(da kommen wir bei einem spannenden exkurs an, nämlich den überschneidungen von lyrik und lied/musik, die ja ursprünglich gar nicht trennbar waren: wenn ich einen popsong höre, kann der text inhaltlich überhaupt keine kohärenz und kein narrativ haben, der zusammenhalt über klang, reim und beat sorgt aber dafür, dass die kleinen semantikzentren in meinem hirn trotzdem fröhlich vor sich hinarbeiten und zusammenhang und sinn dort erzeugen, wo syntagmatisch gar keiner ist. und der wird eventuell sogar als noch tiefergehend „richtig“ und „sinnvoll“ wahrgenommen, gerade weil er nicht über die rationalitätsschiene, sondern eine unbewusstere ebene geht. möglich also, dass gerade solche sprachkritischen texte, die sich ja auch einer gewissen rationalitätskritik bedienen und strukturen wie eben ein lineares narrativ in frage stellen, sinnhaftigkeit an sich gar nicht leugnen, sondern eine völlig neue form davon aufstellen. genau dazu forschen sie übrigens im avl-cluster languages of emotion mit jede menge neurologischen background, ich geb jetzt hier mal bloß die light-version aus meinem rhetorik-seminar).
beim lektoratstreffen für die belletristik kam die besprechung zuletzt u.a. auf das problem von texten, die auf ein ende, auf eine pointe hingeschrieben sind: das kann gut funktionieren, aber viele texte sind einfach zu schade dafür, von ihrem eigenen ende in den schatten gestellt zu werden. dazu wäre dieses gedicht von clemens dann wohl das radikale gegenbeispiel (großes +), aber es kommt mir dennoch recht unfertig vor: was ich nämlich nicht sehe, ist die von alex postulierte neu-aufladung der refrain-wörter bei ihrem wieder-auftauchen. wo kommen denn da bedeutungs/klang/strukturebenen dazu, die vorher noch nicht da waren, wo wird da neu gemischt? mir erscheint die wiederholung bisher eher nicht so produktiv, sondern einfach dem zugrunde liegenden prinzip des textes als arbeit mit einem eingeschränkten wortmaterial und einer pflicht zur wiederholung geschuldet, was dadurch beides irgendwie unmotiviert wird. was machen denn zb die ganzen lebensmittel da? wenn die wenigstens so wie die hennen und luchse und das andere getiers so witzige querverbindungen und verwurschtelungen mit der körperlichkeit eingehen würden (die finde ich allerdings echt gekonnt gemacht) – aber da passiert ja gar nix. gorgonzola und schawarma dümpeln irgendwie so durch die zeilen und „spargelhaft“ ist im vergleich mit „hennen“ (als verb) oder „luchst“ (in der doppelbedeutung) auch ein ziemlich trauriger kleiner neologismus. da geht doch garantiert noch viel mehr!
Nach einem längeren Gespräch mit Alex ändere ich meine Meinung:
Einverstanden, es wird was verhandelt und zwar anders als im üblichen Diskurs, von mir aus Körperlichkeit. Auch einverstanden, das ist spannend. Der Text macht also was und er macht es auch nicht wirklich schlecht. Aber alles das zugestanden muss ich sagen, dass ich die Art, wie das hier verhandelt wird, nicht so doll finde (und das ist jetzt eine Kritik zweiter Stufe, d.h. subjektive Meinung).
Ich sehe Spiel mit Wortfeldern, v.a. Wiederaufnahme mit Verfremdung und inhaltlich Zusammenbringen von u.a. Körperlichkeit, Hygiene, Essen – aber daraus entspringt hier keine produktive Verhandlung des Inhalts. Das fetzt einfach nicht so. Da kann man tatsächlich mehr draus machen!
Ein kleiner theoretischer Anmerk: hier scheinen verschiedene Meinungen von Narrativ bzw. Narration durch die Diskussion zu geistern. Narration ist m.E. nicht einfach Zusammenhang oder Leitmotiv (wie es Kristof verwendet hat. Aber Möglicherweise impliziert Leitmotiv immer schon Narration.). Der „kein-Narrativ-Vorwurf“ ob er jetzt und wie berechtigt verkennt ja nicht, dass der Text einen bestimmten Zusammenhang aufweist.
Vielleicht kann ein fleissigerer Literaturwissenschafter kurz und knapp Abhilfe schaffen?
oho, dann greif ich mal in die trickkiste:
unser narrativ-begriff geht von aristoteles‘ poetik aus: organisation anfang-mitte-ende mit logischem aufbau der elemente, optimalerweise so, dass kein element weggelassen werden kann. allerdings muss der logische aufbau, das sagt schon aristoteles, nicht der folge im narrativ folgen (siehe vorschau, rückblende etc., krimis beziehen letztlich ihre spannung daraus).
das also wäre das muster, das jetzt abgewandelt bzw. abgeschwächt werden kann:
1. hinzufügen für den logischen aufbau nicht zwingender elemente
2. nur noch aufeinander- und auseinanderfolgen der elemente, ohne zwingend logische abfolge (das kommt vielleicht dem heutigen narrativ-begriff am nächsten)
3. nur noch andeuten oder suggerieren von aufeinander- und auseinanderfolgen der elemente
etc.
etc.
zurück aus dem urlaub und schon neugierig auf die Diskussion habe ich mich reingestürzt in die Kommentare. In meinem beziehe ich mich sowohl auf alex‘ als auch auf Clemens‘ Text, ohne dabei zu sehr in die inhaltlich-konkrete Diskussion einzusteigen (denn dass ich Clemens Text jetzt anders lese als abends um 2 Uhr ist eine Platitude, dass uns ein unterschiedlicher Zugang zur Lyrik verbindet, auch).
Was mich an der Diskussion interessiert, ist die Ebene für oder wider DADA (als Chiffre für alles Experimentelle, was an sich schon vereinfachend ist). Alex macht da einige Vorschläge, was mögliche Gegenargumente angeht. Die halte ich aber, ehrlich gesagt, für so primitiv, dass sie quasi zwingend auf eine Bestätigung von seinem und Clemens Ansatz hinaus laufen. Die Frage ist doch: können wir uns ernsthaft über und zwischen den Ansätzen austauschen und das nicht nur über ein „man-muss-die-Dinge-eben-an-sich-selbst-messen“. Ich würde nämlich sagen, das geht und kann sehr produktiv sein, wenn man die beiden Sachen in Beziehung zueinander setzt. Ich behaupte, da finden sich mögliche Inspirationen für beide Seiten.
Was mich z.B. bei Alex und Clemens inspiriert, ist die Infragestellung wesentlicher Elemente meiner lyrischen Arbeit. Das regt mich immer wieder zu Gedanken an und macht einen wirklichen wertvollen Teil von G13 aus. Ich fand Leas Beitrag dazu schön. Man kann das toll finden, auch wenns nicht sofort auf das eigene Schreiben durchschlägt. Gleiches gilt für Klanglichkeit, assoziativen Zusammenhalt oder unübliche Perspektiven (wie z.B. Körperteile) und Form als strukturierendes Element eines Textes. Das sind tolle Ideen – das Experiment generiert wichtige Ergebnisse! Aber es bleibt auch ein Experiment. Das hat was mit Gestus des Textes und mit Sprachverwendung zu tun, oder: mit den Grenzen des Genres „experimentelle Lyrik“. In Clemens und Alex Texten kann vieles passieren, nur nichts „Gewöhnliches“.
Die Arbeit innerhalb der Genregrenzen (und hier ist es wesentlich, wie man die auffasst), macht es sich damit auf eine gewisse Weise leicht. Denn was mich in Clemens und Alex Texten wirklich anmacht, ist der Moment, an dem sie das Handwerk eines bestimmten Genres aufgreifen und durchspielen, also: Idenitifikation ermöglicht, um dann abzudrehen. „jetzt weiß ich nicht mehr“ wäre ein Beispiel von Alex, „zündet sie an“ eines von Clemens, in dem ein Zugang gelegt wird, der auf eigentümliche Art ein Genre zitiert (emotionale Beziehungslyrik auf der einen, politische Lyrik auf der anderen Seite) und mich damit sofort interessiert. Dann nimmt es mich mit auf eine Reise, deren Ausgang unberechenbar bleibt – das eigentliche Experiment.
Das ist spannend, aber dafür muss es raffiniert sein. Bei Texten mit einem Anspruch, wie Clemens und Alex ihn formulieren (eine bestimmte Form der Kritik), möchte ich sehen, dass der Text seine Referenzen beherrscht, auch die der „anderen“ Seite, die er studiert hat und nun aufgreift, simuliert und dann drechselt. (daher kann es nicht um eine Wiederaufnahme des Alten (und dessen Verteidigung a la „virulenter denn je“) gehen, sondern um ein Verarbeiten und Neuanordnen der Dinge gehen; das ist m.E. die Unschärfe, die eine Kritik an diesen Ansätzen immer bestitzt). Die Verarbeitung einer Form und dessen Kritik findet für mich nicht nur auf der inhaltlichen und sprachlichen Ebene statt (Zerschlagen des Narratives; Beziehungslyrik als Körperteile; Verarbeitung des Kitschs) sondern eben auch und vielleicht zentral in einem Bereich emotionaler Wirkung auf den Lesenden.
Dabei geht es auch um die Frage: Wie bekommen wir Zugang zum/r Lesenden? Das geht auf unterschiedliche Weise, ist aber prinzipiell ein Problem experimenteller Lyrik. Das ließe sich in der Performanz klären (auch wenn ihr mir da noch einen Beweis schuldig bleibt), die Frage kann aber auch anders gestellt werden, womit ich einen Punkt wieder aufgreifen, den ich oben schon erwähnt habe: Wie geht eine sich selbst als avantgardistisch verstehende Lyrik mit ihrer reflexhaften Ablehnung der Leser_innenschaft um, die ihrem Verfahren nicht so ohne weiteres folgend kann/will. Sprich: Was sind die Grenzen unserer Ansätze und wie können wir voneinander lernen? Um für so eine Frage offen zu bleiben, braucht es eine andere Reflexion als die sprachliche im Text. Es braucht eine Betrachtung der eigenen Tradition und Reflexe mit fremden Augen. Vielleicht ist es der Versuch, die eigene Schreibe nicht ganz ernst zu nehmen, sich auf die Verunsicherung einzulassen, niemals fertig zu sein. Es geht darum, die eigene Haltung einzuholen. Denn Haltung, das merke ich in unseren Diskussionen, ist eine Position die wir im eigentlichen Sinne beziehen und in der wir uns einrichten. Von dort aus schauen wir auf andere Texte. Mir gefällt das Nomadenhafte unseres Mobiliars eigentlich ganz gut!