[schulterblick]

i’m not in the picture cause i took it
(touchy mob)

auf dem foto läufst du durch ein feld. schulterblick: man weiß nie,
was da hinter einem kommt, nur rückschauend ist das alles kausal,
post hoc ergo propter hoc. auf dem foto gibt es mehr kanister als
du zählen kannst und einen fremdkörper, aber der bewegt sich nicht.
wie schaufensterauslagen, denen man ansieht, dass sie sich wundern.
oberflächlich erschlossenes land, stellenweise schon rückgebaut wie
das innenleben von schafen im ruhrgebiet. renaturierte schweigestellen,
dazwischen die abkürzung von vorder- zu mittelgrund, auf der du über
frisch gefallene kastanien läufst, dunkelbraune einschlaglöcher im feld.

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2 Antworten zu [schulterblick]

  1. Tristan Marquardt schreibt:

    finde es toll, dass du dich der thematik von foto/erinnerung/blicklenkung jetzt über mehrere texte annimmst! hab, was diesen text anbelangt, einige fragen/potentielle probleme:

    – was macht dieser wechsel von du und man? wie bewusst ist der gesetzt? oder lauert im man nicht eine form von verallgemeinerung, der der text inhaltlich gerade widerspricht?

    – wie steht es mit der lateinischen stelle? hab grad die bedeutung gegooglet:

    „Beispiel für post hoc ergo propter hoc:

    Nachdem ich mit dem linken Fuß aufgestanden bin, fällt mir die Kaffeetasse herunter. Also ist das „falsche“ Aufstehen der Grund dafür, dass mir die Kaffeetasse herunterfällt.

    Diese Schlussfolgerung ist ein logischer Fehler, da das zeitlich frühere Ereignis zwar Ursache des späteren Ereignisses sein könnte, allein die zeitliche Abfolge aber nicht reicht, um eine Kausalverbindung zu begründen. Im Beispiel könnte die Ursache für das Fallenlassen auch darin liegen, dass ich mich erschrocken habe. Die zeitliche Abfolge ist zwar notwendig für den Schluss auf die Ursache, aber nicht hinreichend.“

    wenn man das nun weiß, ist die lateinische stelle in deinem text ja tatsächlich nur exakt das, was im halbsatz davor steht („nur rückschauend ist das alles kausal“). warum dann? befremdungseffekt? fachwissen verbreiten?

    – den zweiten wie-vergleich mag ich, weil er so wundervoll absurd ist. aber wie steht es mit dem ersten? könntest du da das wie nicht einfach auch weglassen? denn jeder wie-vergleich führt doch irgendwie potentiell „aus dem bild raus“

  2. Lea Schneider schreibt:

    zur lateinischen stelle (ich habe mit dem einwand gerechnet ;)):

    „post hoc ergo propter hoc“ kenne ich als prinzip aus der linguistik, genauer gesagt aus der historischen pragmatik, also der unterdisziplin von sprachforschung, die sich anschaut, wie sich sprache durch ihren gebrauch über einen langen zeitraum hinweg verändert – wie sich zum beispiel wortbedeutungen ändern (das geläufigste beispiel, dass du als mediavist sicher besser kennst als ich, ist die verschiebung von „frau“ als eine höfliche anrede für adelige menschen weiblichen geschlechts zur generellen ansprache für alle personen weiblichen geschlechts und die parallele abwertung von „weib“, das erst eine neutrale bezeichnung war und dann eher die konnotation einer beschimpfung erhielt – einfach dadurch, dass auch „normale“ frauen aus höflichkeit mit dem adeligen titel angesprochen wurden und er sich schließlich als generelle bezeichnung einstellte). historische pragmatik kann sich aber nicht nur mit veränderungen von wortbedeutungen befassen, sondern auch mit der entstehung von grammatikalischen regeln oder wörtern, die nicht so offensichtlich bedeutung tragen wie nomen das tun, z.b. partikeln oder konjunktionen (weil, aber, oder, und, …). „post hoc ergo propter hoc“ ist in diesem kontext ein prinzip, mit dem man sich erklärt, wie z.b. die konjunktion „weil“, die wir heute kausal, also begründend, verwenden, aus einem temporalen, also zeitlichen konjunktion entstanden ist: (eine) „Weile“ als bezeichnung für einen zeitraum z.b. wird ja heute noch benutzt. ähnliches lässt sich auch für andere kausalkonjunktionen (und auch in anderen sprachen, die konjunktionen verwenden) zeigen. man geht dabei davon aus, dass sich in dieser regel eine funktionsweise des menschlichen denkens widerspiegelt: wenn etwas zuerst da war, ist es relativ wahrscheinlich, dass es auch die grundlage bzw. der grund für dasjenige ist, was danach kommt. außerdem trägt „post hoc ergo propter hoc“ der tatsache rechnung, dass wir zuerst in der lage sind, zeitliche zusammenhänge bzw. abfolgen zu verstehen, bevor wir kausale verstehen können – und rückbezogen auf sprachbildung werden dann einfach bereits existierende wörter, in diesem fall konjunktionen, genommen und metaphorisch für etwas neues verwendet – solange, bis ihre ursprüngliche bedeutung verloren geht und sie als quasi lexikalisierte metaphern nur noch in der neuen bedeutung verwendet werden.

    lange rede, kurzer sinn: ich fand es spannend, in einem gedicht, in dem es auch um wahrnehmung, blickführung und die frage danach geht, wie man etwas, das nicht mehr oder noch nicht existiert oder so nie existiert hat (erinnerung) in worte fasst und was dabei passiert (dass es z.b. zu genau den fehlschlüssen kommen kannst, die du in deinem beispiel erwähnt hast, oder dass man sich die vergangenheit als zielgerichtete geschichte, in der alle einzelschritte in bezug auf die gegenwart sinn gemacht haben, erzählt, um sie so besser ertragen zu können und ihr einen sinn zu geben), diesen bezug zwischen wahrnehmung, denken und sprache zu thematisieren – indem ich genau das linguistische prinzip erwähne, das auf einer wissenschaftlichen ebene der paradigma zu erklären versucht, was ich in dem text lyrisch zu beschreiben versuche. und: mir gefiel die paradoxe aufeinanderfolge von zwei vorgängen, die sich eigentlich ausschließen („man weiß nie was da hinter einem kommt“, wenn man irgendwo vorwärts langläuft, sprich, wenn man handelt, weiß man noch nicht, welche konsequenzen das haben kann, aber „rückschauend ist das [dann trotzdem] alles kausal“).

    punkt :) über deine anderen vorschläge denk ich nach!

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