wisst ihr es ist so: manchmal weiß ich nicht wovon ihr redet
ich schwenke flüssigkeiten in trinkgefäßen – das ist sicheres terrain
setzte einen fuß auf den boden – hier auch
entschuldigen sie ich habe dieses hemd an ich muss mal da durch
immer wenn ich im badezimmer bin sind die fliesen weiß
wenn ich wieder herausgehe auch
und dann ein weißer faden quer zur raummitte gespannt (keiner siehts)
jetzt dürfen alle wieder atmen ich beschließe das
ich beschließe alle dinge immer dann wenn sie richtig sind
ich beschließe auch dass jetzt alle wieder sprechen dürfen
da ist dieser stuhl ich sitze darauf, das ist richtig
- Dieser Blog ist eine Online-Werkstatt, in der wir Texte besprechen. Er ist offen für alle, die mitdiskutieren möchten und wird betrieben von G13, zu deren Publikationen ihr hier ebenfalls Informationen findet. Hinweise auf aktuelle Lesungen und andere Aktivitäten findet ihr vor allem auf unserer Facebook-Seite.
Kontakt
gdreizehn.lyrik [at] gmail.com
(Bitte schreiben Sie uns an diese Adresse nur bei Anfragen an G13 als Lyrikkollektiv; bei Anfragen an einzelne Autor*innen wenden Sie sich bitte an die Verlage.)Autor*innen
Kommentare
Hallo, liebe Mary!
Ich finde den Text interessant, hätte da allerdings einige Anmerkungen dazu. Zum einen ist mir aufgefallen, dass die „Figurenkonstellation“ im Text extrem auseinanderklafft: Wir haben ein „ihr“, zu dem ein „ich“ spricht, wir haben ein „sie“ (das ich als höfliche Anrede einer (einzigen) Person verstehe) und wir haben die Indefinitpronomina „keiner“ und „alle“. Der Text wirkt auf mich sehr global mit seinem enthaltenen Publikum, dabei allerdings etwas inkonsequent. Das „ihr“ und das „sie“ treten lediglich in einem Vers auf; gegen Ende des Textes könnte man natürlich das „keiner“ und das „alle“ als Rückgriff auf diese Personalpronomina verstehen (zumal anfangs von „reden“, danach von „sprechen“ die Rede ist), allerdings entfällt dabei die sog. Sozialdeixis, also der Umstand, dass das Ich einmal duzt und einmal siezt. Weiterer Rückschluss daraus: Das Ich schert sich darum nicht oder das „sie“ tritt in einer extratextuellen Situation auf, die unverbunden ist mit dem Vorangegangenen oder dem Folgenden. Demzufolge wäre der Text als Anhäufung unterschiedlicher Situationen zu verstehen, also als Collage, wobei mir dieser Eindruck in den anderen Textstellen eigentlich nicht kam. Ich konnte dem „faden“ weitestgehend folgen.
Als Nächstes fiel mir auf, dass du etliche Wörter mehrfach wiederholst. Das dreimalige „beschließe“ in den letzten Versen verstehe ich als durchgehaltene Stilfigur; danach aber folgen das doppelte „wissen“ im ersten Vers, das zweimalige „weiß“ (und zwar als Farbe und rein klanglich ein drittes Mal im ersten Vers), ansonsten zweimal „wenn“, zweimal „dieser“, zweimal „richtig“ und dreimal „alle“ usw. Beobachtung: Du bedienst dich eines sehr reduzierten Wortmaterials. Ich finde, dass da Achtung geboten sein sollte.
Lobend anmerken will ich die Dynamik des Textes: Der Text hat eine deutliche und plastische Szene und führt den Leser auch herum mithilfe von Wörtern wie „herausgehe“ (aus dem Badezimmer) und „quer zur raummitte“: Ich finde die Bildlichkeit ziemlich transparent.
Das Imperfekt („setzte“) hat mich übrigens etwas aus dem Konzept gebracht. Die Textstelle gewinnt an Dynamik, wenn das Ich die Bewegung im Präsens vollführt. Ansonsten solltest du einen Blick auf die Interpunktion werfen und im zweiten Vers das „e“ in „sichers“ ergänzen (oder irre ich mich?).
Ich hoffe, mein Kommentar hat dir weitergeholfen! :)
Liebe Grüße, Chris
… wenn ich mir noch einen kurzen Nachtrag erlauben darf: Ich finde das Außenseiter-Motiv des Sprechers problematisch. Das zieht sich durch viele andere ältere Texte und sollte sich irgendwie anders nivellieren, wenn es denn aufgegriffen werden soll. Sehr innovativ z.B. finde ich die Flüssigkeiten, den Faden, den Stuhl. Der Rest ist ziemlich in your face …
hi chris,
wie du siehst, hat mir dein kommentar geholfen. dafür vielen dank. die interpunktion habe ich fast komplett rausgenommen (back to the roots) ich habe eingesehen, dass das nicht wirklich funktioniert hat. deine anmerkung, dass der text eher wie eine collage mehrerer situationen wirkt leuchtet mir nicht so ganz ein. ich finde durchaus das man mit den personalpronomen auch in direkter rede sehr variieren kann.
womit du auch recht hast ist das reduzierte wortmaterial. da doppelt sich so einiges, aber das ist durchaus gewollt und gipfelt natürlich in der mehrfach wiederholung von beschließen am ende. dieser text ist in einer sehr einfachen alltagssprache verfasst und bedient sich keinerlei raffinierter stilmittel, was in diesem fall die verschrobenheit des lyrischen ichs unterstreicht. somit zu deinem nachtrag: warum sollte sich ein außenseiter-motiv des sprechers nicht wiederholen? warum kann man denn nicht eine lange reihe von texten mit diesem motiv machen? und was genau heißt nivellieren?
und wenn wir schon bei fragen sind: ich überlege gerade den sechsten vers zu streichen. glaubst du das dem text etwas dadurch verloren ginge? ist im verlauf dann noch kalr, dass das lyrische ich sich nicht mehr im badezimmer befindet?
soweit erstmal, merci vielmal.
Grüß dich, liebe Mary!
Ich finde die Idee, den sechsten Vers zu streichen, in diesem Fall gut. Jetzt nach der Änderung (die mir im Übrigen sehr gut gefällt) ist klar, dass der Sprecher ganz allgemein spricht („immer wenn“). Das würde durch den sechsten Vers gedoppelt, auch wenn er natürlich die Information des Herausgehens zusätzlich trägt, aber das wird ja im vorangehenden Vers bereits angedeutet.
Ein Außenseiter-Ich im Rahmen eines Zyklus zu präsentieren, ist natürlich okay, aber ich sehe darin die Gefahr, dass das nicht wirklich innovativ ist. An deinem Text finde ich so einiges innovativ, nur wird auch darin erkenntlich, was verhandelt wird, und zwar ein Thema, das die Lyrik seit jeher durchzieht … Hmm, vielleicht wäre es eine Idee, dieses Motiv mit einem weiteren Motiv anzureichern oder es durch ein bestimmtes Bildmaterial zu veranschaulichen. Die Bilder sind sehr plastisch und somit stark, nur wirken sie auf mich nicht ergänzend zur verhandelten Thematik (ergänzend nämlich insofern, als die Bilder sprechen, nicht das Ich durch eindeutige Ausdrücke wie „manchmal weiß ich nicht wovon ihr redet“), sondern situativ. Ich weiß nicht, ob ich mich jetzt etwas zu undeutlich ausdrücke … Ich kann nur hoffen, dass du in etwa verstehst, was ich meine! Nivellieren wäre in diesem Fall einfach Erneuern :)
Das mit der Collage kam mir nur im Vers mit dem „entschuldigen sie (…)“ so vor. Plötzlich befindet sich der Sprecher in einem (gedanklichen oder echten) Dialog, in dem gesiezt wird. Davor setzt er einen Fuß auf dem Boden und danach ist er im Badezimmer. Ich wurde an der Stelle einfach aus der Situation rausgeworfen. Der Rest des Textes wirkt auf mich sehr zusammenhängend, nur das „entschuldigen sie“ kommt mir zu plötzlich und unvermittelt, und zwar in dem Maße, dass der (Lese-)Fluss gestört wird. Der Text wirkt vorher und nachher auf mich ruhiger und mehr ineinander übergehend. Vielleicht willst du aber natürlich dieses „Störelement“ behalten! :)
Wenn ich den Text mir jetzt zum x-ten Mal durchlese, kommt er mir wie ein Selbstgespräch eines Menschen in einer kahlen Wohnung vor. Ich dachte nämlich gerade noch, dass das Ich ja zu jemandem spricht („wisst ihr es ist so“), aber das kann ja auch alles in Gedanken erfolgen. Dann passt auch natürlich das „entschuldigen sie“, bloß fand ich halt diesen Vers an der Textstelle etwas zu abrupt. Vielleicht Geschmackssache.
So viel erst mal! :)