REZENSION „Druckkammern“ in der Zwischenwelt 30

„Ist sie noch immer sichtbar, die untrügliche Spur? Liest einer noch den Schatten der Halme? Was wird er sehen, wenn er den Weg durchs Gelände nimmt? An einer Wand die Schrift? Unter dem Pflaster das Gras? Natur hat kein Gedächtnis, das kann man wissen. Gedenken und Gedanken liegen ihr fern. Erst der Blick in die Geschichte macht die Narben offenbar. […] Schon im Titel seines Erstlings, „Druckkammern“, macht einer der Jüngsten deutlich, daß er Anlaß und Willen hat, nicht auszuweichen, sondern der Spur zu folgen. Der Druck ist ja spürbar vorhanden, und er kommt von den Kammern her. […] Damit erinnert der Autor an etwas, was leicht vergessen wird, wo man sich bloß der Erinnerung hingibt. Die Spur ist untrüglich, wenn man die Spuren nicht verwischt“

Bereits vor einigen Monaten erschien eine Rezension zu Czollek’s Druckkammern in der Zwischenwelt, der Zeitschrift der Theodor Kramer Gesellschaft. Verfasst von Matthias Fallenstein ist der Artikel leider nicht online zu finden. Ein Blick in die Zeitschrift lohnt sich aber, schon allein für dieses wundervolle Ende:

„Ich stelle mir einen sehr alt gewordenen Theodor Kramer vor, dem, nachdem er beschlossen hat, selbst nicht mehr zu schreiben, die Gedichte Max Czolleks in die Hand fallen. Vielleicht würde er anfangs noch ein paar Zweifel hegen. Zu groß der Abstand der Generationen. Abbrechen würde er die Lektüre aber nicht, die Genauigkeit der Bilder würde ihn fesseln. Und spätestens auf Seite 73 (warum, kann man sich fragen, fehlen jetzt plötzlich die Seitenzahlen?), wenn kurz vor dem Ende des Buches Moyshe Leyb Halpern auftritt, der jiddische Dichter, der „in die städte gekommen“ ist, nach Wien und New York, um „als fremder sich auftrieb zu / suchen“, Moyshe Leyb Halpern, „grün und glücklos durch / den boden einer flasche“ blickend, „moyshe leyb / den rauschen macht / die angst im glas“: spätestens hier würde der uralte Dichter vielleicht vor sich hinmurmeln: ja, wenn ich jung wäre… Gras, auseinandergeschrieben. Die Spur liegt frei, sie ist untrüglich. Nichts, nichts ist verloren.“

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