[träume, ich könne nicht schlafen]

träume, ich könne nicht schlafen, bin, als ich erwache,
eingenickt. stapel kisten, jede sekunde einzeln auszu-
misten. jemand hat vor mir hier gewohnt. es dauert
stunden, seine aussicht von den fenstern zu wischen.
papa zu sagen, mama zu grüßen. mein gesenkter blick,
keine sorge, ist keine scham, hat was mit der position
der webcam zu tun. zwischenlager fürs nimmermüde
kindchenschema, in dem ich seit tagen a) stehe und
b) stillleben male. hier z.b. sieht man einen strauß aus
strukturen. paste da hinten. meine entscheidung, sind
die wände weiß, geht das handy kaputt, ist alles vorbei.
ich schließ den fernseher an, auf arte paaren sich zwei
seltene tiere. der kameramann hat das gut gemacht.

Werbung
Dieser Beitrag wurde unter Lea Schneider, Tristan Marquardt veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

9 Antworten zu [träume, ich könne nicht schlafen]

  1. Tristan Marquardt schreibt:

    Wie immer gilt: next text. Neue Co-Produktion von Lea und mir.

  2. leabe schreibt:

    Habe da rechts was von „offen für alle“ gelesen. Dann kriegt ihr jetzt auch mal meine Meinung zu hören, bisher habe ich nur mitgelesen.
    Für mich gibt es in dem Gedicht eine Art Spannungsbogen und das finde ich bei lyrischen Texten immer schwierig. Meines Erachtens sollten Gedichte mit jedem Wort, jedem Vers eine konstante Spannung halten. Konkreter: Ich denke, dass der erste und letzte Satz außerordentlich unspannend sind. Dieses Wachen/Schlafen-Ding kommt mir sehr bekannt vor. Ich habe das Gefühl, dass ich das schon oft gelesen habe (spontan fällt mir da eher Prosa ein, angefangen bei Proust, aber auch Alice, in Kinderbüchern generell,…). Dabei rede ich jetzt nur vom Inhalt. Formal gefällt mir der Anfang sehr gut. Dieses Ineinanderverschachtelte, das ja später auch noch einmal aufgegriffen wird (Vers sechs, zum Beispiel) finde ich super. Es zeichnet so ein bisschen mein eigenes Hineinfinden in den Text nach.
    Richtig gut wird es ab „mein gesenkter blick“. Alles andere davor finde ich ebenfalls etwas abgegriffen (oder, wie bei „seine aussicht von den fenstern zu wischen“, zu platt). Ganz großartig: die Kombination von „kindchenschema“ und der Schema-artigen Aufzählung danach. Was ich nicht verstehe: Warum „ein strauß“ und nicht „einen strauß“? Soll das eine gewisse Mündlichkeit suggerieren? Finde ich schwierig, wenn der Sprecher mit einem Konjunktiv beginnt und auch sonst eher intellektuell wirkt.
    Vers elf fällt dann wieder etwas ab. Das ist mir zu viel Postmoderne. Weiße Wände, Leere, das kaputte Handy als Apokalypse. Etwas „over-the-top“, modern gesagt ;)
    Und dann dieser letzte Satz, der mich völlig ratlos zurücklässt. Der Kameramann wirkt auf mich wie ein Deus ex machina, der als Happy-End an den Text geklebt wird. Seit wann brauchen Gedichte so etwas? Oder wozu sonst ist das gut?
    Also: Ganz, ganz starker Mittelteil, vorn und hinten gibt es inhaltlich noch etwas Bastelarbeit, denke ich.

    • Lea Schneider schreibt:

      Liebe Lea, vielen Dank für deinen Kommentar! „offen für alle“ ist genau so gemeint wie es da steht :) Leider hab ich grad keine Zeit für eine ausführliche Antwort (die kommt hoffentlich noch), bloß ganz schnell: „ein strauß“ war ein Tippfehler, den ich grade korrigiert hab, kein Versuch von Mündlichkeitssimulation oder so.

    • Lea Schneider schreibt:

      Also, jetzt endlich etwas ausführlicher: Wenn ich dich richtig verstehe, trifft dein erster Kritikpunkt die Narrativität des Textes und damit eine Geschmacksfrage. Mein Eindruck ist, dass das vor allem in der deutschsprachigen Lyrik relativ wenig gemacht wird (wobei ich keine Ahnung habe, wieso). Ich habe grade relativ viele Prosagedichte und Gedichte von amerikanischen und chinesischen Lyriker*innen gelesen, die in großen Teilen sehr stark erzählend vorgehen, und fand das beim Lesen unglaublich erfrischend: Denn tatsächlich versucht die deutschsprachige Lyrik, die ich kenne, sehr häufig, deine Forderung, „mit jedem Wort, jedem Vers eine konstante Spannung zu halten“ umzusetzen, und wird dann häufig verkrampft. Bei Christian Hawkey und Matthea Harvey zum Beispiel habe ich das genaue Gegenteil gefunden: Das Hauptmerkmal ihrer Texte scheint mir zu sein, dass man bei jeder Zeile merkt, dass der/die Autor*in großen Spaß beim Schreiben hatte. Und das ist wunderbar! Die trauen sich darum nämlich Dinge, die auf großartige Weise an der Grenze zum Kalauer, zum Pop, zum Kitsch balancieren und diese Spannung dann aber halten können. Und damit schaffen sie etwas, was Gedichte für mich im Idealfall schaffen sollten: Einen kleinen Freiraum in verhärtete Diskurse zu sprengen, einfach, indem sie sich selbst und ihr Material nicht ganz ernst nehmen und sich angesichts determinierenden (Sprach-/Macht-)Strukturen nicht ins Jammern oder Anklagen flüchten, sondern über klugen Humor (oder lass es noch besser kluge Albernheit sein) subversiv werden, ohne es krampfhaft darauf anzulegen. Und das hat viel mit einem narrativen Tonfall zu tun, der fantastische oder surreale Räume öffnet. Man müsste in diesem Zusammenhang auch nochmal über den Allgemeinplatz nachdenken, dass Prosa nicht subversiv sein könne bzw. systemerhaltend wirkt, insofern sie bloß das eskapistische Verlangen, sich in Fantasieräume zu flüchten, erfüllt – aber das wäre noch ein ganz anderes Thema. Was ich hier zunächst festhalten wollte: Ich glaube, das narrative Lyrik ein sehr spannendes Unterfangen ist und dass die Anforderung, jede Zeile müsse für sich stehen können, nicht bei jedem Text angemessen ist.

      Zu deiner Kritik an Zeile 11 würde ich sagen, dass man sie – wie den ganzen Text – ja auch ganz konkret als Teil einer Umzugssituation lesen kann (Kartons, weiße Wände, das Gefühl, neu, allein und hilflos zu sein und um jeden Preis permanent einen Kommunikationsweg offenhalten zu müssen, um nicht verloren zu sein) – das entkräftet dein Argument natürlich nicht, gibt ihm aber vielleicht einen Kontext.

      Und zum Ende fällt mir ein, dass Ratlosigkeit am Ende eines Textes nicht die schlechteste Reaktion ist, die ich mir vorstellen könnte :) Das Problem ist natürlich, dass die letzten Zeilen auf dich unmotiviert wirken, und das kann ich irgendwie auch ganz gut nachvollziehen – sie kommen tatsächlich sehr unvermittelt. Tristan und ich hatten bei der Überarbeitung des Textes (ursprünglich war er länger und ausformulierter) im Kopf, dass dieses abrupte Ende in seiner relativen Witzigkeit eigentlich gar nicht so schlecht ist; denn natürlich ist „den Fernseher anschalten“ keine nachhaltige Lösung für das grundlegende Problem des lyrischen Ichs, bzw. falls doch, dann eine Lösung, die ihm peinlich ist, was man ja schon daran sieht, dass es arte und nicht RTL anschaltet, das Fernsehen als solches also nicht affirmiert, sondern versucht, es als Teil eines intellektuellen Selbstprojekts zu verstehen – worum ja auch das ganze Gedicht immer wieder kreist.

  3. rickreuther schreibt:

    remix

    räume können nicht schlafen, laden, als ich erwacht,
    schick. tape kissen, sehe eine sekunde: zelle zu se-
    zieren. tristan hat mich fern entwöhnt. andauernd
    dieser letzte satz, der mir rastlos völlig genügt.
    papa zu haben, mama auf kur. geh mit segen
    keine scham, habe sorge, positionen zu füßen
    der moderne. ablenkung fürs nimmermüde thema,
    das ich auf seite eins stehe! offen für alle. hier z.b.
    ist nicht hier, fotos von pixeln, fresse da hinten.
    leider hab ich grad keine zeit für eine ausführliche
    entscheidung / sind die wände weiß, sind es wände.
    ist etwas alles, ist es der fernseher. mein versuch
    von mündlichkeitsstimulation, paaren oder so.

  4. rickreuther schreibt:

    rere

    ‚ich könne nicht‘ träume, bin schlafen, ich als erwacht,
    stapel aus einzeln. zu eingenickt – sekunde ein kisten
    gewohnt. jemand hat es vor, misten, hier dauert mir
    aussicht, stunden, seine wischen von fenstern den
    papa. zu grüßen, zu mama, mein gesenkter blick sagen,
    sorge ist keine scham, hat keine was mit der position,
    webcam fürs lager. der zwischen zu tun nimmermüde
    schema ich kindchen, dem tagen in ) und stehe a seit
    hier. male still beispiel strauß ) zum leben sieht man aus
    . strukturen sind da. meine paste hinten entscheidung
    geht, weiß, ist kaputt alles handy wände. das die vorbei
    ich paaren auf zwei, fernseher arte an, den schließ sich
    der kameramann. das seltene hat tiere gut gemacht.

  5. Tristan Marquardt schreibt:

    wow. bin vor allem vom ersten remix ein fan. nur dass ich da auftauche, nun ja, whatever.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s